Galerie Gefängnis Le Carceri - Ausstellungen 2016
TEXT ZUR AUSSTELLUNG
Das was (nicht) da ist
Kaltnadelradierung, bemalte Foto, Terrakotta, Video von Margareta Langer und Daniela Chinellato
Margareta Langer begab sich auf die Spuren ihrer Familie, die aus Nordböhmen, Süd Mähren und Prag stammte. Ihre Urgroßeltern haben sich 1905 in Kufstein niedergelassen.
“Die Geschichten und Anekdoten, die aus dieser Familie stammen, reichen weit zurück ins 19. Jahrhundert. Sie waren Teil des Erzählschatzes meiner Kindheit. Eine integrative Rolle dabei spielte jene Tante Agnes, die eigentlich meine Großtante war, die allein und unabhängig für die ganze Verwandtschaft den Dreh- und Angelpunkt bildete. Sie hielt mit allen brieflichen Kontakt, auch über den eisernen Vorhang hinweg.
Für mich war sie das lebende Fenster in ein versunkenes Jahrhundert mit all seinen Wirren und Veränderungen und mehr noch auch eine Heldin. Nicht nur, dass sie selber ihre Familiengeschichten gerne zum Besten gab, auch sie wurde Mittelpunkt zahlloser Anekdoten.
In meiner Arbeit, einer Serie von 18-teiligen Kaltnadelradierungen, zerlege ich den Kopf bzw. das Gesicht meiner Tante (aus einem Foto heraus), um es dann wieder neu und in verschiedenen Variationen zusammensetzen. Ähnlich wie in einer Computertomografie wurde das Gesicht in 18 Druckplatten (Plexiglasplatten) zerlegt, sozusagen aufgefaltet.
Bis zu 5 Druckplatten werden färbig übereinander gedruckt. Sie geben so die Ansicht auf ein Gesicht frei, das unterschiedlichste Facetten widerspiegeln und ein Eigenleben entwickeln kann.
So versuche ich mich dieser Persönlichkeit anzunähern, sie für mich zu rekonstruieren. Die Dekonstruktion und die neuerliche Rekonstruktion sollen helfen, die Persönlichkeit dieser Frau auch 30 Jahre nach ihrem Tod lebendig werden zu lassen.”
Margareta Langer
„Unser Gehirn verändert in der Erinnerung stets die Wirklichkeit, indem gelöscht, hinzugefügt, geschnitten und verschönert wird und so eine modifizierte Erinnerung bleibt.
Genau dies versuche ich bewusst in den Arbeiten zu machen, die ich für die Ausstellung geschaffen habe.
Dazu verwende ich Fotos, die ich im Hause meiner Kindheit vor einigen Jahren nach dem Tod meiner Eltern geknipst habe, die ich dann verändere und mit einer Art händischem Photoshop an meine jetzige Wahrnehmung anpasse, nicht ohne Zuneigung und Ironie dazu zumischen.
Eine Tätigkeit, die für mich Abwesenheiten dennoch in gefühlsmäßig starke und tröstende Präsenzen verwandelt.
Meine Arbeit ist wie immer ein Nachdenken über die Zerbrechlichkeit und den Tod ohne dabei große Trauer zu verspüren.“
Daniela Chinellato